Lothar Köster, März 2019

irgendwie linkisch...

Fragen Sie mich nicht, warum, aber ich saß neulich abends mitten in einer bezirklichen Versammlung der Linken. Gut, es hatte ein Zettel an der Tür gehangen, aber mit der Begründung müßte ich jährlich um die Welt wandern.

Es war eine Begegnung der dritten Art. Ich kam praktisch als Erster und sicherte mir einen Stuhl nahe der Tür. Vier Tische, zwanzig Stühle, die Wände voller Plakate und 'Das alte Berlin'-Bildchen. Zwanzig Minuten lang dasselbe Spiel: Eine Person platzt herein, Tasche auf den Tisch, ein bis zwei Anwesende geherzt, sofort eine Insiderplauderei über Terminprobleme, Verteilerlisten und 'Müller kann heute nicht'. Dann setzen, öffentliches 'in den Stuhl sacken' unter der Last der Aufgaben, dann ein verstohlener Blick zum 'Neuen'. Zwei oder drei haben sich sogar getraut, ein kurzes Wort mit mir zu wechseln. Vereinsleben eben.

Gut, ich hatte nicht erwartet, daß wilde Revolutionäre mit offenem Hemd, Pflastersteinen und Kopfwunden hereinstürmen. Ich mag Tagesordnungen, aber sie sollten nicht die einzige Initiative im Raume sein. Dann wurde doch eine Vorstellungsrunde zelebriert, Motivation und Erwartungen, eine ideale Bühne für Selbstdarstellung und Agitation. Zu hören bekam ich von fast allen, auch den Langjährigen, ein lammfrommes 'irgendwie etwas ändern', 'irgendwas mit Mieten', 'irgendwas mit gegen Rechts'.

Mein Gedächtnis sammelt vorzüglich Ereignisse mit gutem Gestaltwert und dramatische Entwicklungen. Aus welcher Not oder Strategie Arbeitsgruppen gebildet wurden, ist mir entfallen. Plötzlich saß ich mit drei Irgendwies zusammen, es ging irgendwie um Miete. Jemand äußerte vorsichtig die Hoffnung, man könne eventuell intervenieren, um die Mietbremse etwas zu verschärfen. Er wußte aber auf Nachfrage nicht, wie sie funktioniert. Irgendwie könne man nicht so viel ändern... Mich überkam ein furchtbarer Verdacht, also fragte ich direkt, ob nicht die Mietzinserpressung als Verbrechen bekämpft werden sollte. (...viele Erläuterungen, mehrmals...) Die Augen wanderten seitlich auf den Boden, die Hände unter dem Pullover, die anderen beiden begannen eine Terminverhandlung und drehten sich ebenfalls weg. Hatte ich ihnen Kinderpornos angeboten? An die Zusammenfassungen im Plenum habe ich keine Erinnerungen, gar keine.

Das Glanzlicht des Abends bleibt mir aber ewig vor Augen: Eine Gewählte beehrte die Versammlung zum gerade beschlußfertigen Mietendeckel mit einer Reihe von Insiderberichten, die sonst wirklich nur die Presse kannte. Die heroische Tat eines Senats, dem neben Zartrosa und Graugrün auch die Linke tragend angehört, erstrahlte vor den Gewehren der Reaktion, also der geschätzten Mietpresslobby, für die auch dieser Senat die Stadt mit Investitionswohnraum zubetoniert.

Also fragte ich zurück, zum völligen Ende des sozialen Wohnungsbaus. Und da erzählte mir die Volksvertreterin allen Ernstes folgende Geschichte:

Wenn Investoren das schlecht verkäufliche Drittel ihrer Mietzinseinheiten für reduzierte (nicht günstige) Mieten anbieten, bekommen sie breit verteilt Begünstigungen, die den (anfänglichen) Mietzinsverlust mehr als ausgleichen und für Bürger kaum nachzurechnen sind. Aber: Natürlich zahlt der Steuerzahler diese Gewinngarantie, und die bedürftigen Mieter fliegen eben zehn Jahre später auf die Straße. Antisozialer Wohnungsbau mit mafiöser Fassadenrhetorik.

Na gut, ich kenne das Wohnraumförderungsgesetz und habe referiert. Ihre Geschichte klang einfacher, heroischer: 'Wir erzwingen soziale Mieten mittels Grummelnachlaßvorzuggrummel'.

Erst hatte ich ja schallend loslachen wollen, aber dann - ich habe es selbst gesehen: treuliches Kopfnicken reihum! Untertäniges Verständnis für die hohen Sorgen der Hohen Herren.

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Gut, das kein Linker im Raum war!

Aber wer war dort?