Lothar Köster, 11. September 2021

irgendwie kein Licht

Es sind die Bilder des unvorstellbaren Grauens, die einen nicht mehr loslassen, weil das Grauen ins Bild gebracht wurde.

Unvorstellbar aber ist dieses Grauen, weil es eben nicht die Urgewalt des Erdbebens, des Tsunamis, des brennenden Waldes oder der tosenden See ist, die Menschen absichtslos vernichtet, sondern die erfolgreiche Umsetzung menschlicher Pläne, gleichsam das Resultat solider Arbeit.

Es scheint die zutiefst menschliche Wurzel der gemeinsamen, vertrauensvollen Arbeit zu vergiften. Tatsächlich aber ist das Gift dort seit Jahrtausenden eingedrungen, und es steckt bereits im Mörtel und Stahl der prächtigen Türme.

Feuer

Als nun vor laufenden Kameras die Götterburgen haltlos in Schutt versanken, kamen aus dem Rauch all die Bilder der Feuer zurück, in denen dieser selbstherrliche Stahl gehärtet wurde.

...das Neugeborene und seine Mutter, die sich darüber warf, als das Napalm das Strohdach nach Augenblicken in einen Backofen verwandelte, ein um eine halbe Minute verlängertes Leben...

...die Feuerstürme in Hanois hölzernen Vororten, als US-Weihnachtsbaum, während ein Truthahn vor dem Backofen bewahrt wurde...

...das Dauerfeuer der Flieger auf die Flüchtlingszüge aus dem total zerstörten Nordkorea, schon im Süden, aber gerade nicht erwünscht...

...das singulär auslöschende Sonnenfeuer, die technische Meisterleistung über dem Testgelände in Hiroshima und Nagasaki, anschließend klinisch beobachtet, höchste Effizienz bei mindestens 80 Kilo-Mengele...

...und unendlich viel mehr Höllenfeuer, tägliches Grauen ohne Bilder.

Würde man diese Völker und ihre Geschichte kennen, müßte zu jedem Kalendertag ein Buch der Feuer, Morde, der Vernichtung durch den Primärterror gedruckt werden. Aber unsere Blase zeigt uns nur die Schaufenster der Räuber.

Spiegel

Sie haben es immer geahnt. In unzähligen Katastrophenfilmen zeigten sie sich das Fremde, Böse, das in ihre biedere Welt mit dem Willen der totalen Vernichtung eindringt. (und von kleinen Spießerhelden aufgehalten wird, nun ja...) Sie wußten, daß ihre Marsianer, Klingonen, Bork ihre Raubzüge durch die Völker spiegeln. Die Napalm- und Bombenteppiche über Korea und Vietnam, das Putsch- und Statthaltergeschäft bei allen Rohstofflieferanten, der Dauerkrieg um das Öl.

Sie haben den verzweifelten Widerstand der Vollwaisen, den unvermeidlichen Griff zum Gegenterror bereits inszeniert. Die Spiegelbilder der Guten, Standhaften, die Helden, die sie gerne gewesen wären, suchen sie jetzt aus aller Welt heim. Die vernarbten Kinder der einst friedlichen Völker haben den Terror aus ihrer Meisterhand gelernt, und auf dem Massengräbern ihrer Kulturen ist ihnen nichts anderes mehr übrig geblieben. Deshalb morden sie nicht hinter Bildschirmen versteckt, und sie haben keine Rückflüge gebucht. Wohin auch.

Es hat seine Logik, daß die Waisen dieses Primär-Terrors die Fackel in eben diese Schaufenster und Glanztürme werfen, die aus der Asche ihrer einstigen Hütten errichtet wurden.

Gräber

Auch dies ist grauenvoller Terror, im Ausmaß zwar bestenfalls tertiär, aber perfekt inszeniert und nun auf allen Sofas in der Blase zur besten Sendezeit in die Augen gebrannt. Auch in unserem Hobbit-Wohlstandsländle, dessen Räuberteilhabe mindestens Sekundär-Terror ist.

Und die Folgen? Terror. Die Räubernationen sind zusammengerückt, die US-Söldner haben mit vielen Verbündeten ihr Wüten in der Welt verstärkt. Der Irak und Afghanistan wurden mit Massengräbern übersäht. Neue Heere von Waisen wurden dem Terror und Faschismus zugeführt.

Der Terror als Naturgewalt? Nein, die Maschine, die mit ihren Ketten weltum unsere Kulturen zermahlt und die Polkappen schmilzt, ist der Raub, der Wahn vom Reichtum ohne eigene Arbeit.

Diese alte Krankheit unserer Massengesellschaft, im Kapitalismus zum wuchernden Krebs mutiert, ist die Wurzel allen Terrors, allen Grauens.

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Der Tunnel, in dem wir kriechen, hat kein lichtes Ende.
Hinter uns war das Licht, der einst menschliche Ort.
Sein weises Gebot:

Du sollst nicht stehlen!