Lothar Köster, 11. September 2016

Irgendwie wäre ich gerne ohnparteiisch ...

... aber ich muß eben meine einzige Stimme an eine Partei abgeben. Sagen die Parteien.

Die Parteien sagen auch, das auf ihnen die Demokratie basiert, die wir, wie sie sagen, haben. Jedenfalls, wenn sie erst einmal im Besitz meiner Stimme sind, und ich dann eben stimmlos.

Theoretisch dürfte ich auch einen Parteilosen wählen wollen. Aber wie? Da müßte jemand in einem Wahlbezirk auf eigene Kasse gegen alle etablierten Parteien antreten, die ihre Köpfe steuerfinanziert an tausend Laternen hängen können. Wo sollte der sonst noch in der Öffentlichkeit erscheinen? In den Talkshows der Sender, wo bis zum Hausmeister Parteienproporz herrscht?

Und wozu? Säße er im Abgeordnetenhaus, würden die Funktionäre ihm lächelnd auf die Schulter klopfen und in den geheimen Ausschüsse der Fraktionen verschwinden.
Er könnte für mich maximal über Transparenz meditieren ...

Die Parteien haben sich das Fraktionsrecht in unsere Verfassung geschrieben, ebenso wie die Geheimhaltung gegen uns Bürger. Sie verwalten ihre Diäten und den Intershop für die Lobbys. Die Richter, Staatsanwälte, die Intendanten und leitenden Beamten ... alle sind vom Parteiproporz eingesetzt, und damit, bitte sehr, wem verpflichtet?

Der Chor der Parteisoldaten hebt jetzt den freiheitlich-demokratischen Moralfinger. Hätte ich denn schon all diese finsteren Zeiten vergessen, in denen mein Schicksal von einer Einheitspartei bestimmt wurde, die von den Schulbüchern bis zu den Fernsehnachrichten alles diktiert hatte? Die geheime Politik mit geheimen Verträgen gemacht hat, die nur Getreuen Karrieren ermöglicht und die Haushalte mit Staatsplanung ruiniert hat? Autobahnen und Flughäfen im 5-Jahres-Plan, und dann doch bröselig und verraucht?

Diese finsteren Zeiten sind nun alle vorbei und vergessen, sagen sie mir. Wir können endlich unsere Partei frei wählen, und zwar mit der für den freien Westen typischen, fast unübersichtlich üppigen Auswahl. Wie beim Telefontarif. Oder der Post. Oder der Bahn.

Stimmt, solche finsteren Zeiten will keiner mehr.

Kommste mir pampich, Erich, wähl ick n' Honnecker!

Nur wer beherzt zur Wahl geschritten und in innerer Einkehr und Ausdauer nach der Differenz gesucht hat, kann danach ruhig schlafen gehen. Wählers Nachtgebet.

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Der 88zigjährige, halb blind, allein, gibt seine Ersparnisse dem freundlichen Kommissar, aus zutiefst menschlichem Motiv: Vertrauen!

Wir aber wissen es seit Jahren schlechter: Wir können nur die Sockenfarbe der Abgeordneten wählen.

Mal ehrlich, 'nur dem Gewissen verantwortlich'?!
Wie unmündig muß man sein, um so etwas zu glauben?