Lothar Köster, 22. März 2024

irgendwie orkoid

J. R. R. Tolkien, Brite aus der Hochzeit des Empires, kannte sich mit nordischen Mythen wirklich gut aus. Seine Mittelerde-Konstruktion kennt daher auch die einschlägigen Geschlechter, man könnte hier tatsächlich Rassen sagen: Ziemlich edle Elben, Zwerge und Hobbits zum Schmunzeln, dezent eingestreut ein paar Trolle, und viele magische Bäume und Tiere. Als Emporkömmlinge dürfen sich die Menschen bewähren. Natürlich gibt es die große Schlacht zwischen Gut und Böse, wobei Sauron (anders als im Vorbild, Wagners Ring) nicht einmal als Kapitalismuskritik taugt.

Die Lesermassen und die Filmindustrie sind es zufrieden, am Ende gibt es den Endsieg über das Böse und den Aufbruch in ein neues Erdzeitalter. Soweit hatte ich keine Fragen.

Aber es gab noch eine andere Konstruktion, eine sehr unmotiviert eingestreute Rasse, die als 'Dunkelzüchtung' nur sehr notdürftig hergeleitet wurde: Orks. Alle Rassen haben bei Tolkien ihre Geschäfte und Konflikte miteinander, alle haben ihre Sonderkompetenzen und Lebensberechtigungen. Aber diese Orks dienen über die ganze Erzählung hinweg nur als Schwertfutter für kleine und große Helden. Beschrieben werden sie, wenn überhaupt, nur als entmenschlichte und entstellte Krüppelwesen, die mangels eigener Art und Ethik sich auch gerne für einen rohen Fisch gegenseitig erschlagen.

Eine Rasse, vom großen Mythenmetz Tolkien erschaffen als per Voraussetzung lebensunwert, quasi 'Beefsteaktatar'. So schildert er den Umgang mit ihnen nicht als würdige Schlacht, sondern eher im Stil von Ungezieferbekämpfung. Man ahnt, mit welchem Menschenbild die britischen Horden einst durch die Kolonien zogen. Tolkien, ein Kind seiner Zeit und seiner Räubernation.

Wie komme ich darauf?

Der Regisseur Jonathan Glazer, dessen Film 'The Zone of Interest' mit zwei Oskars geehrt wurde, prangert (angeblich, *) in seiner Dankesrede 'Entmenschlichung' an und spricht über die 'Besatzung' in Palästina.

Daraufhin erhält er (angeblich, *) Post. Über 450 Personen aus dem Hollywood-Umfeld schreiben (vermutlich, *) folgendes:

"Der Gebrauch von Worten wie 'Besatzung', um ein indigenes jüdischen Volk zu beschreiben, das sein Jahrtausende altes Heimatland verteidigt,..., verzerrt die Geschichte"

Der Innensatz, die dezent eingestreute Implikatur ist es, die mich auf Tolkien bringt.

Also: Das jüdischen Volk ist in Palästina eingeboren, und zwar wohl seit Jahrtausenden.

Zunächst frage ich mich noch, warum Eingeborene mit Terror in das damals britisch besetzte Palästina eindringen und in mehreren Kriegen die Landfläche erobern, in welcher sie doch alle geboren wurden?

Reicht hier eine Geburtslokalisation in den letzten 3000 Jahren formal aus? (Europa würde sich in 300 Mill. Rückübertragungsansprüchen auflösen!)

Oder kann der Eingeborenenstatus in der Folgegeneration formal nachgeholt werden? (Dann wären Spanier und Portugiesen die wahren Indigenen Südamerikas!?)

Nehmen wir mal an, daß hier eine späte Wiederkehr gemeint ist. Man hatte vor 3000 Jahren abgeschlossen, die Schlüssel treulich vererbt, und kehrte dann einfach wieder zurück.
Sie meinen es wirklich so, völlig ungebrochen, also:

'Das war doch immer schon und ist noch immer unser Land!'

Was mich daran zutiefst verstört, ist dieser Akt des Wiederkommens ohne besondere Vorkommnisse. Sie kommen zurück, schließen die Türen auf und wischen Staub. Abends vor den Lehmhütten stellen sie erstaunt fest, daß die Nachbarvölker irgendwie unfreundlich sind.

Kam Euch wirklich niemand mit Notbündeln fliehend auf der Straße entgegen, als Ihr mit Euren Koffern durch die Küstenorte fuhrt? War da wirklich niemand in diesem alten Land angesiedelt, mit Häusern, Olivenheinen und Gräbern der Ahnen, nicht einmal in Jerusalem? Hat keiner von Euch eine Erinnerung an die Menschen, die dort nach vielen Jahrhunderten realen Eingeborensein ins Meer gejagt wurden? Die in Massen ermordet wurden, wenn sie aus dem kleinen Land nicht rechtzeitig fliehen konnten? Kam Euch nie der Gedanke, daß die jahrhunderte alten Olivenbäume, die Eure Bulldozer ausreißen, vielleicht doch von etwas Euch grundsätzlich ähnlichem gepflanzt und gepflegt wurden? Von Menschen, lebenswert und legitim in ihrem eigenen gelobten Land?

Habt Ihr die Palästinenser wirklich nur als Ungeziefer, als Orks eingestuft, als unterste Unterrasse, über deren Beraubung und Vertreibung man nicht einmal ein Wort verlieren mag?
So daß Ihr jetzt ohne Zögern verkünden könnt:

'Keine Besatzung! Keine Vertreibung! Da war niemand! Da war nichts!'

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Was bedeutet es für den Zustand der aktuellen Pressemedien, wenn weder die Glazer-Rede noch der obskure Brief irgendwo im Wortlauf veröffentlicht werden? Überlegen Sie: Zu welcher AS-Kampagne der letzten Jahre gab es überprüfbare Quellen?

(* Zitiert nach Berliner Zeitung vom 20. März 2024)